26. November 2019

Ergebnisse des Kulturhistorischen Seminars in Detmold

- Dr. Olga Silantjewa -

Vom 11. bis 16. Oktober 2019 fand im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold (Nordrhein-Westfalen) das 4. Kulturhistorische Seminar für junge Wissenschaftler aus Russland und Deutschland statt, die das Erbe der Russlanddeutschen erforschen.



In diesem Jahr wurden neue Sektionen in das Programm aufgenommen, wie z. B. „Die Kultur der Russlanddeutschen: Musik und traditionelle Küche“ oder „Selbstorganisationen der Deutschen in Russland und im Ausland: die Führung in einer gesellschaftlichen Organisation in Vergangenheit und Gegenwart“. Genau diese Sektionen stießen auf den größten Zuspruch. In den übrigen drei Sektionen, „Sprache und Dialekte der Russlanddeutschen“, „Die Literatur der Russlanddeutschen“ und „Museen der Russlanddeutschen“, die auch schon auf dem Programm vergangener Seminare in Fulda, Halle und Bayreuth vertreten waren, gab es einige Teilnehmer weniger. Insgesamt wurden auf dem Seminar ca. 40 Vorträge gehalten, davon zehn auf Plenarsitzungen. Der überwiegende Teil der Seminarteilnehmer waren entweder bereits ausgebildete junge Wissenschaftler oder Aspiranten, Studenten waren kaum vertreten.

Teilnehmer aller Sektionen unterbreiteten ihre Vorschläge.

So warf die Sektion Selbstorganisation die Frage nach der Aufbewahrung von Archivdokumenten russlanddeutscher Organisationen auf, die bislang noch keinen Eingang in ein Archiv finden konnten. Diese Frage wurde bereits im vergangenen Jahr in Bayreuth diskutiert, wo interessante Projekte vorgeschlagen wurden, wie z. B. die Einrichtung eines Internet-Archivs der Russlanddeutschen, entweder eigenständig oder als Teil eines Internet-Museums, die Einrichtung eines Bestandes an digitalisierten Privat- und Familienarchiven als Teil eines Internet-Archivs, die Digitalisierung russlanddeutscher Periodika und deren Aufnahme in den Bestand einer Online-Bibliothek usw. Allerdings wurde bislang in dieser Richtung noch zu wenig unternommen. Selbst die Dokumente des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur (IVDK) sind derzeit noch verstreut und nicht systematisch erfasst. „Wenn sich nichts tut“, so die Meinung des Historikers Arkadi German, „kann es geschehen, dass wertvolle Zeugnisse der russlanddeutschen Geschichte und Kultur und deren gesellschaftlicher Organisationen, darunter auch des IVDK, unwiederbringlich verloren gehen. Spätere Generationen werden uns das nie verzeihen.“

Der Erhalt und die Digitalisierung des Archivs der Selbstorganisation sind nur die Spitze des Eisbergs unter der Überschrift „Digitalisierung des kulturellen und historischen Erbes der Russlanddeutschen“. Auf der Warteliste zur Digitalisierung stehen russlanddeutsche Medien, Gegenstände der materiellen Kultur und herausragende Beispiele des literarischen, musikalischen und sonstigen materiellen und geistigen Erbes der Russlanddeutschen. Auf dem Seminar in Bayreuth wurden konkrete Beispiele unterbreitet, von denen einige inzwischen umgesetzt wurden, wobei es aber noch einer einheitlichen Konzeption für die Digitalisierung des kulturellen Erbes der Russlanddeutschen bedarf. Das Problem muss fachgebietsübergreifend in Angriff genommen werden, unter Berücksichtigung der Interessen von Historikern, Ethnografen, Museologen, Literaten, Sprachwissenschaftlern und anderen interessierten Vertretern der russlanddeutschen Kultur.

Von der Sektion Literatur wurde vorgeschlagen, Teilnehmerlisten der kulturhistorischen Seminare des IVDK zu führen und auch die Thesen von wissenschaftlichen Arbeiten der dort vertretenen Teilnehmer zu erfassen, um feststellen zu können, welche Gebiete derzeit von wem wissenschaftlich untersucht werden. Ein weiterer Vorschlag lautete, eine internationale Expertengruppe zu bilden, der Vertreter des IVDK und des Literaturkreises der Deutschen aus Russland angehören könnten, um die gemeinsamen Anstrengungen zum Studium, zum Erhalt und Popularisierung der russlanddeutschen Literatur zu koordinieren.

In der Sektion Russlanddeutsche Museen, deren Teilnehmer z. Z. an der Einrichtung einer virtuellen Ausstellung auf der Internetseite RusDeutsch arbeiten, wurde darüber gesprochen, dass es notwendig sei, Weiterbildungsseminare für die Mitarbeiter russlanddeutscher Museen und Ausschreibungen für Museumsprojekte durchzuführen oder auch eine methodische Sammlung von Projekten zur ethnokulturellen Pädagogik anzulegen.

In der Sektion „Die Kultur der Russlanddeutschen: Musik und traditionelle Küche“ wurde über die Vorbereitung des Gesamtrussischen Festivals der russlanddeutschen Kultur diskutiert, das 2021 stattfinden soll. Vorgesehen ist, die Suche und Auswahl talentierter Kinder und Jugendlicher zu aktivieren, Kindergruppen zu bilden, die russlanddeutsche Musik modern arrangiert (als Rock, Rap o. ä.) interpretieren können und Theaterstück zu inszenieren, die auf authentischem Material, z. B. einer traditionellen deutschen Ballade beruhen. Die Teilnehmer der kulinarischen Untersektion bekamen fünf Vorträge über die Küche der Russlanddeutschen geboten und diskutierten über Wege, diese zu popularisieren.

Nachdem die Teilnehmer der Sektion „Sprache und Dialekte der Russlanddeutschen“ sieben Vorträge zu unterschiedlichen Aspekten bei der Untersuchung sprachlicher Varianten der Russlanddeutschen gehört und durch die einführenden Worte der Diskussionsleiter noch einige Anregungen erhalten hatten, unterbreiteten sie verschiedene Vorschläge zur Organisation wissenschaftlicher Untersuchungen zum Thema der Sektion in der nächsten Zeit. Ihrer Meinung nach sei es an der Zeit, eine Datenbank zu den Untersuchungen, die sich mit den sprachlichen Varianten der Russlanddeutschen befassen und ein Verzeichnis der Forschungskollektive und einzelnen Fachleute anzulegen.

Organisatoren des Seminars waren der IVDK, das Kulturreferat für Russlanddeutsche und der Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russland (JSDR) in Zusammenarbeit mit dem Institut für ethnokulturelle Bildung – BiZ, dem Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte und der Internationalen Assoziation zur Erforschung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen.

 

 

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