22. Januar 2021

Neuerscheinungen über die Zwangsarbeit

In Deutschland wurden Ende des Jahres zwei Bücher über die massenhafte Aushebung der Russlanddeutschen zur Zwangsarbeit in den Jahren 1941‒1946 ins Deutsch übersetzt und herausgegeben: «Gedenkbuch. In Würde ertragen. Russlanddeutsche Zwangsarbeiter des Tagillag» und «Gedenkbuch: Stolze Geduld. Zum Gedenken der Deutschen der Sowjetunion den Gefangenen des ABL Bakalbau und Tscheljabmetallurgiebau».



Aus dem Vorwort zum Buch: „In Würde ertragen – Russlanddeutsche Zwangsarbeiter des TagilLag“ – Gedenkbuch, hrsg. von Wiktor Kirillow.

Im historischen Gedächtnis der russlanddeutschen Bundesbürgerinnen und Bürger nimmt die massenhafte Aushebung zur Zwangsarbeit in den Jahren 1941‒1946 in der UdSSR einen besonderen Stellenwert ein. Die „Sowjetbürger deutscher Nationalität“, so der Amtsjargon, gehörten zu der einzigen nationalen Minderheit, bei der nicht nur Männer, sondern auch Frauen, Jugendliche und Mädchen zum Zwangsarbeitseinsatz herangezogen wurden. Um die 350.000 Personen mussten fern ihrer Wohnorte, Eltern oder Kinder im Ural und hohen Norden, in Sibirien und Kasachstan schwere körperliche Arbeit unter unwürdigen Bedingungen leisten. Diese im tiefsten Hinterland stattgefundenen Strafmaßnahmen, von den Behörden bewusst verschleiert als „Arbeitsmobilisierung“ deklariert und von den Betroffenen selbst als „Trudarmija“ (Arbeitsarmee) bezeichnet, kosteten nicht weniger als 70.000 Menschenleben. Jede deutsche Familie war faktisch davon betroffen. Jahrzehntelang wurde die kritische Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels der sowjetischen Geschichte von den kommunistischen Machthabern mittels Zensur behindert. Nur im engen Familienkreis hielt man das Gedenken an die Opfer der Arbeitsarmee wach, hörte schlichten Schilderungen der Überlebenden bestürzt zu, bewahrte wenige überlieferte Zeugnisse wie vergilbte Briefe, Dokumente oder Fotos der verstorbenen Angehörigen treu auf. Erst seit Ende der 1980er-Jahre, während der Perestroika und schließlich nach der Überwindung des kommunistischen Systems, begann zögerlich eine öffentliche Auseinandersetzung mit diesem Thema. Die Aufarbeitung dieses Verbrechens an der deutschen Minderheit wird bislang leider sowohl in Russland als auch in Deutschland hauptsächlich von den Betroffenen selbst betrieben. Umso verdienstvoller erscheinen vor diesem Hintergrund die Aktivitäten einer Gruppe russischer Historiker und Archivare um Prof. Wiktor Kirillow (aus Nischni Tagil), die bereits seit den 1990er-Jahren das Thema „Trudarmija“ im Ural aufgegriffen haben und bis heute beharrlich verfolgen. Während des „Großen Vaterländischen Krieges“ beherbergte diese Region die größte Anzahl solcher Zwangsarbeiter, die überwiegend in die bereits existierenden Straflager überführt und dort bei verschiedenen Vorhaben im Rüstungsbereich, bei der Holzgewinnung oder beim Bau strategisch wichtiger Industriebetriebe, eingesetzt worden waren. Die teilweise Öffnung zentraler und regionaler Archive nach 1991 spielte bei der Aufarbeitung eine wichtige Rolle. Aufgrund der dort entdeckten Dokumente konnte das Forscherteam einzelne Einsatzorte detailliert beschreiben. Auch geschichtlich relevante Zeitzeugenberichte finden dabei Berücksichtigung. Bislang sind mehrbändige Ausgaben Tagillag-Tagilstroj, Bogoslowlag-BASStroj, Sewurallag und Wosturallag im Gebiet Swerdlowsk, Usollag (nur Todeslisten) im Gebiet Molotow (Perm) und Tscheljablag-Tscheljabmetallurgstroj im Gebiet Tscheljabinsk ausschließlich auf Russisch erschienen. Die vorliegende Übersetzung des Buches über das Tagillag ist der erste Band der neuen Publikationsreihe „Gedenkbücher der russlanddeutschen Zwangsarbeiter“, die vom BKDR herausgegeben wird. Hauptziel ist es, sowohl der wissenschaftlichen Community als auch dem breiten, historisch interessierten Publikum und nicht zuletzt den Nachkommen der einstigen Zwangsarbeiterinnen bzw.- arbeiter fundierte Darstellungen zu diesem Kapitel der russlanddeutschen Geschichte in deutscher Sprache zu bieten. Wir danken vor allem den russischen Historikern für das umfangreiche Material, das sie uns zur Verfügung gestellt haben.

Redaktion / BKDR Verlag

„In Würde ertragen“, Hardcover, Preis: 24,- EUR, E-Mail: kontakt@bkdr.de Tel.: 0911-89219599
 

Das zweite Buch "Gedenkbuch: Stolze Geduld. Zum Gedenken der Deutschen der Sowjetunion den Gefangenen des ABL Bakalbau und Tscheljabmetallurgiebau" wurde von Sophie Wagner aus Hamburg ins Deutsche übersetzt und mit der Unterstützung der Familie Steinhauer herausgegeben. 


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