Vom 24. bis 26. August 2012 fand in Moskau die wissenschaftlich-praktische Konferenz, anlässlich des 250. Jahrestages des Beginns der Masseneinwanderung von Deutschen nach Russland.
2013 jährt sich zum 250. Mal die Unterzeichnung durch die russische Kaiserin Katharina II. des Manifests über die Berufung ausländischer Kolonisten in das Russische Reich, am gleichen Tag wurde in St. Petersburg die „Kanzlei der Vormundschaft der Ausländer“ mit der Aufgabe gebildet, die Kolonisten zu empfangen und zuzuordnen, sie bei der Einrichtung zu unterstützen und die Kolonien zu verwalten. Ihr erster Leiter wurde Graf Grigorij Orlow. Die Ausländer wurden schnell auf das Manifest aufmerksam und im gleichen Jahr begann die massenhafte Umsiedlung der Ausländer nach Russland, wobei Deutsche den Großteil von ihnen ausmachten.
Nach der Überwindung einer ganzen Reihe von Strapazen mit ungewohnten Naturverhältnissen und Klima, Hunger, Krankheiten, Nomadenüberfällen, bürokratischen Hürden wurden von den Kolonisten hochproduktive Haushalte und Wirtschaften geschaffen, wodurch sie zum Wirtschaftsaufschwung des Landes, schnellen Wachstum von Handelszentren im Wolga-Gebiet, Schwarzmeerraum sowie in anderen Regionen beitrugen.
Noch vor dem Manifest waren Deutsche für russische Bevölkerung ein Begriff als ehrwürdige Handwerker, Militärs, Ärzte und Apotheker, Wissenschaftler und Verwaltungsfachleute. Viele von ihnen bekleideten wichtige Staatsposten. Mit der russischen Geschichte sind so bekannte deutsche Namen wie Gmelin, Pallas, Schlözer, Euler, Nesselrode, Ungern, Sternberg, Krusenstern, Bellingshausen, Bennigsen, Osten-Sacken, Benckendorff, Korff, Toll, Wrangel, Kotzebue, Witte, Plewe, Lenz, Rosen, Totleben, Grot, Cancrin, Schmidt, Trepow, Siewers und viele andere aufs engste verbunden. Ende des 19. Jh. lebten in Russland ca. 1,8 Mio. Deutsche, es bestanden zwei Tausend rein deutsche Siedlungen.
1914 sollte von den Wolga-Deutschen das 150-jährige Bestehen ihrer Siedlung im Wolga-Gebiet begangen werden, was jedoch durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges gestört wurde, welcher das Leben der deutschen Diaspora in Russland schlagartig veränderte und ein Gefühl der Entfremdung ihr gegen- über mit sich brachte. Auch mit der Sowjetmacht wurden im Leben der Deutschen drastische Veränderungen herbeigeführt: Einerseits erhielten die Deutschen im Wolga-Gebiet ihr eigenes national-territoriales autonomes Gebilde in Form erst eines Gebiets und später als Republik der Wolga-Deutschen, andererseits jedoch wurden fast alle Traditionen des früheren Lebens gebrochen und vernichtet. Die Deutschen verloren ihre traditionellen Werte wie Eigentum, Kirche und Schule. Der Prozess der Sowjetisierung wurde von den Massenrepressalien sowohl nach dem Klassen- als auch nach dem nationalen Prinzip begleitet.
Der dramatischste Zeitraum in der Geschichte der Deutschstämmigen fiel jedoch in die Zeit des Großen Vaterländischen Krieges und ins erste Nachkriegsjahrzehnt. Die Auflösung der Autonomen Republik der Wolga-Deutschen, Deportation, Arbeitsarmee, Sonderansiedlungen, langjährige moralische Unterdrückung prägten das Leben der Deutschstämmigen in diesem strapazenreichen Jahrzehnt.
Im Weiteren fand die „deutsche Frage“ trotz genereller zivilbürgerlicher Rehabilitation lange Jahre keine eigentliche Lösung (d.h. Rehabilitation der Deutschen nach dem nationalen Prinzip), es gab sie so gut wie nicht, während die Ende der 1970–1980er Jahre unter dem Druck objektiver Wirklichkeit unternommenen ungelenkigen Bemühungen um die Wiederherstellung ihrer Staatlichkeit das Problem nur verschärften. Nachdem jegliche Hoffnung auf die Wiederherstellung der Gerechtigkeit schwand, begann die Auswanderung der Deutschstämmigen nach Deutschland. Dieser Prozess wurde noch durch die Auflösung der UdSSR, Schwierigkeiten und Kontroversen der ersten Jahre des neuen unabhängigen Russlands verstärkt.
Das heutige Leben der Deutschstämmigen in Russland kann ebenfalls kaum als problemlos bezeichnet werden, jedoch ist nicht zu übersehen, dass sich der Staat seinen Staatsbürgern deutscher Abstammung zuwandte, ihnen gewisse Hilfe und Unterstützung zukommen lässt. Ein Zeugnis dafür liefern die im Laufe mehrerer Jahre abgewickelten Föderalen Zielprogramme zugunsten der Russlanddeutschen, dafür spricht auch die Durchführung im August 2012 einer Jubiläums-Konferenz.
Dabei geht es bereits um die 4. wissenschaftlich-praktische Konferenz, die von der Assoziation zur Erforschung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Studium der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen des Instituts für Geschichte und internationale Beziehungen bei der Staatlichen Universität Saratow „N.G. Tschernyschewskij“ veranstaltet wurde.
Im Rahmen des allgemeinen Themas der Konferenz wurden schwerpunktmäßig folgende wissenschaftliche Richtungen besprochen:
• massenhafte Umsiedlung der Ausländer nach Russland im Kontext der allgemeinen weltweiten Entwicklung der Aussiedlungsprozesse im 18.–19. Jh.: Allgemeinbild und Besonderheiten, Tendenzen, Probleme, Widersprüche, Rolle des Staates. Weitere spontane und erzwungene Umsiedlung der deutschstämmigen Bevölkerung Russlands;
• Allgemeines, Besonderheiten, Einzelerscheinungen bei der Herausbildung und Entwicklung der regionalen Gruppen und Stadtgemeinden der Russlanddeutschen (Demographie, Ethnographie, Wirtschaft, Religion, Bildung, Kultur, Sprache etc.);
• Kolonist, Kolonistenfamilie, Kolonistengemeinde: Allgemeinbild, regionale, religiöse und sonstige Besonderheiten; Stadtdeutscher, stadtdeutsche Familie, deutsche Stadtgemeinde: Allgemeinbild, berufliche, religiöse und sonstige Besonderheiten;
• Problem der Kulturträgerschaft seitens der Russlanddeutschen: Verhältnis zwischen Mythus und Realität. Beitrag der Deutschen zur Entwicklung Russlands: Traditionelle und zeitgenössische Pro und Kontra-Einschätzung;
• Deutsche im gesamtrussischen, regionalen, städtischen Sozium: Probleme der Anpassung, Integration, Assimilation, gegenseitigen Beziehungen, gegenseitigen Beeinflussung, Toleranz;
• Transformation des Seins, Bewusstseins der Russlanddeutschen; ihre Beziehungen mit dem umliegenden Sozium unter den Bedingungen der Modernisierungsprozesse eines Übergangs von der Agrar- zur industriellen Gesellschaft in Russland;
• Transformation des Seins, Bewusstseins und der Position der Russlanddeutschen in Staat und Gesellschaft unter den Bedingungen der Sowjetmacht;
• Position und Schicksal der Russlanddeutschen als Faktor gegenseitiger Beziehungen zwischen Russland (der UdSSR) und Deutschland im 20. Jh. Auswirkungen der militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ländern für Deutschstämmige Russlands;
• Deutschstämmige im heutigen Russland. Russlanddeutsche in Deutschland und anderen Ländern des Nah- und Fernauslands. Entwicklungsprobleme und -perspektiven.
An der Erörterung der Probleme der Konferenz nahmen ca. 70 Fachspezialisten aus acht Ländern der Welt teil, unter ihnen renommierte Spezialisten für die Probleme der Geschichte der Russlanddeutschen. Dieser Sammelband bietet Ihnen die Beiträge der Forscher aus Russland, der Ukraine, Deutschland, Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan, Lettland und Japan. Die Konferenzteilnehmer besprachen wichtigste Probleme der Kolonisierung Russlands durch ausländische Umsiedler, das Leben, Engagement und Schicksal der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und im heutigen Russland. Einen gesonderten Fragenblock bildeten die Probleme der Sprache und Kultur der Russlanddeutschen, Fragen ihrer heutigen Entwicklung und Zukunftsperspektiven.
Im Ergebnis wurden die Konferenzbeiträge im Sammelband veröffentlicht:
Два с половиной века с Россией [Текст] : (к 250-летию начала массового переселения немцев в Россию) : материалы 4-й Международной научно-практической конференции, Москва, 24-27 августа 2012 г. / Ассоц. исслед. истории и культуры Российских немцев Международного союза немецкой культуры, Центр изучения истории и культуры немцев России Ин-та истории и международных отношений Саратовского гос. ун-та ; [науч. ред.: А. А. Герман]. - Москва : МСНК-пресс, 2013. - 719 с. : ил., табл.; 21 см.; ISBN 978-5-98355-104-6 : 400 экз.
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